Interview Feierei

Interview Feierei

Robert Stolt ist kein gewöhnlicher Tagträumer. Musiker werden ja gerne meist abwertend so bezeichnet. Der Name täuscht auch über seine musikalisches Schaffen hinweg, denn seine Produktionen sind weder monoton noch einschläfernd. Nicht ohne Grund. Seit seinem 6. Lebensjahr erlernte er verschiedene Instrumente und eignete sich immer neue Kenntnisse von klassischer über Jazz bis zur modernen Musik an. Dies geschah nicht nur mit dem Erzeugen von Klängen, sondern auch mit dem Sammeln von Vinyl.
Schon mit 16 hatte er die elektronische Musik für sich entdeckt, die nun die Leute auf den Tanzflächen zum Feiern aber auch zum nachdenken bringen sollte. Mit Andreas Wolff fand Robert schnell einen DJ-Partner. Durch die Gründung des gemeinsamen Projektes Tagträumer² im Jahre 2003 folgten schnell regionale Auftritte. Seit der gemeinsamen Single „Capisce“ im Jahre 2007 ist der Tourkalender dick gefüllt. 2008 führt er das Projekt alleine weiter und lieferte herausragende Produktionen, die auch bei Laurent Garnier oder Technasia nicht aus den Plattenkoffern verschwinden wollen. Ein Jahr später entwickelt er neben der DJ-Tätigkeit ein Live-Set Konzept mit dem er seit Oktober 2009 auf Tour gegangen ist.
Dennoch blieb noch ein wenig Luft und feierei.de konnte die Gelegenheit nutzen mit Robert Stolt ein Interview zu führen.

Welche Bedeutung steckt hinter dem Namen Tagträumer²?

Das Projekt Tagträumer² entstand im Januar 2003 mit Andreas – einem alten Freund von mir. Uns fiel schon damals auf, dass wir die gleichen verrückten Ideen im Kopf hatten und auch musikalisch denselben Weg gehen wollten. Hinzu kam noch, dass wir zum Glück darunter leiden mal am Tage abzudriften und in Gedanken komplett zu versinken. Da spuken dann oft neue Ideen und Melodien herum, die es gilt schnell in die Tat umzusetzen.
Du hast seit der Single „Capisce“ einen gewaltigen Sprung gemacht. Was hat sich in deinem Alltag verändert und wie gehst Du damit um?
Ja, der Erfolg kam für uns sehr überraschend, zumal wir mit der ersten Single nur stolz darauf waren eine eigene Platte herauszubringen. Es trudelten eine ganze Menge Bookinganfragen ein, und wir konnten auch in den USA spielen. Aber damit kam auch die Arbeit und das nicht zu knapp. Neue Remixaufträge sammelten sich an und die Fragen nach neuen Produktionen wurden immer lauter. So spielte die Musik eine immer größere Rolle in unserem Alltag.

Wie kam es dazu, dass Du das Projekt seit 2008 alleine weiterführst?

Die Arbeit wuchs uns einfach über den Kopf. Zu viel war zu tun und wir mussten uns beide entscheiden, ob wir die Sache hauptberuflich machen oder es doch ein Hobby nebenbei bleiben sollte. Andreas hatte sich daraufhin für seinen Job als Programmierer entschieden. Ich hatte schon damals einige Produktionen ohne ihn angefertigt und für mich stand schon lange fest, dass ich diesen Weg gehen möchte und ich dafür bereit bin auch einiges aufzugeben. Auf unserer Freundschaft hat diese Trennung aber keinen Einfluss gehabt.

Wie siehst Du als Vinylsammler den Trend bezüglich digitaler Auflegetechnik? Legst Du selber großen Wert darauf, dass deine Produktionen auch auf Vinyl erscheinen?

Mein Lieblingsthema (lach).
Für mich war Vinyl schon immer das allerschönste und auch anspruchsvollste Tool für einen DJ. Klar, man hat mit Serato und allen anderen Programmen ein gewisses Vinylfeeling und es ist auf die Dauer auch eine billigere Variante. Doch wenn man genau vergleicht sind Vinyl-DJs einfach viel näher an den Leuten dran. Kein lästiges Starren auf den Laptop, sondern mehr Kontakt zum Publikum. Digital DJs sehen auch vom Dancefloor aus, als würden sie gerade ihre Emails checken und oft bekommt man gar nicht mehr mit, ob es sich noch um DJ Künste handelt, oder ob nur ein Knopf zur Synchronisation gedrückt wird.
Für die Produktionen kamen schon einige Anfragen von digitalen Labels, aber es würde mir überhaupt nichts bringen auf diesen Wege zu releasen. Im Club drücke ich DJs auch gerne meine Promoplatten in die Hand. Ich kann mir nicht vorstellen, ob sie sich freuen würden, wenn ich denen einen Stick oder eine gebrannte CD geben würde.

Die Major Plattenfirmen unterstreichen gerne ihre Bedeutung dahingehend, dass ohne ihr Kapital keine Talente mehr gefördert werden könnten. Wie stehst Du dazu?

In der heutigen Downloadgesellschaft haben Majors viel an Bedeutung verloren. Independent Labels sind auf dem Vormarsch und jeder Künstler kann sich immer besser durch Seiten wie Soundcloud/ Facebook und einigen Foren vermarkten. Junge Talente werden durch Youtube und MySpace entdeckt und kommen schnell an Verträge von Independent Labels, welche die Künstler auch fördern. Mir kommt es auch so vor, als wenn Majors nur noch im Pop und Mainstream aktiv sind und da ihre Künstler fördern.
Diese Plattenfirmen saugen sich auch eher die Trends von der Oberkante der Independentlabels ab und versuchen es dann in ein Glamour Pop Gewand zu stecken. Was dann hinten raus kommt ist ein David Guetta und hat herzlich wenig mit einem jungen Talent oder vielmehr mit elektronischer Musik zu tun. Nachwuchskünstler sollten eher bei ihren Independent Labels bleiben, denn hier können sie ihre Kreativität ausleben und werden gefördert.

Welche Musiker haben dich bei deinem bisherigen Schaffen massiv beeinflusst?

Für mich waren es meistens Musiker, die in ihrem Schaffen keine Grenzen kannten und auch immer sehr eigenständig in ihren Sound klangen. In den 90ern waren das vor allem Underworld und Moby und seit dem Beginn des Tagträumer² Projektes ist es auf jeden Fall der Trentemøller. Er hat einen ganz eigenwilligen Sound und erfindet sich immer wieder neu. Schon auf seinem Remixalbum treffen so viel unterschiedliche Stilrichtungen aufeinander und trotzdem wirkt alles sehr harmonisch. Dann veröffentlicht er ein sehr ruhiges Album und wieder eine Compilation mit anderen Stilrichtungen. Mich wird es nicht wundern, wenn der Herr zu seinen Rockwurzeln wieder zurückfindet. Auf meinen Sound hat sich das so ausgewirkt, dass ich sehr gern experimentiere. Zwischen den Styles wird umhergesprungen und so wird munter über alle Grenzen hinweg produziert. Auch im DJing ist mir diese Herangehensweise sehr wichtig. Die Leute sollen nicht schon vorher wissen auf was sie sich einstellen. Zuhören ist angesagt oder schreiend wegrennen (lach).

Was steht als nächstes an? Wann ist ein Album geplant?

Im Moment ist eine Kooperation mit dem alten Gigolo Rec. Helden Elbee Bad in den Startlöchern. Die ganze Nummer klingt durch de Rapparts sehr oldschoolig und erhält mit dem Groove Edit einen frischen Anstrich. Dirt Crew werden ihren Sound auch noch durch einen Remix draufdrücken. Also eine runde Sache, die Anfang April auf Society 3.0 erscheinen wird.
An ein Album denke ich im Moment noch nicht, da ich noch gerne ein paar Singles releasen möchte, aber wer weiß, vielleicht gibt es im nächsten Jahr das erste Tagträumer² Album.

Durch die Tour bist Du viel rumgekommen. Welche Location, die Du noch nicht bespielt hast, steht auf deinem geheimen Wunschzettel?

Das sind vor allem die Plätze an dem Techno noch kein festes Stammpublikum hat. Letztes Jahr konnte ich drei Auftritte in China bestreiten und das war schon sehr interessant. Da spielt man nicht den ersten Beat und die Leute wissen Bescheid. Vielmehr blickt man in fragende Gesichter und muss sie erstmal überzeugen. Wenn es dann klick macht, ist die Ekstase vorprogrammiert und man kann die Leute mitreißen. So stehen die Mongolei, Südafrika und einige Länder in Südamerika ganz oben auf der Liste. Ebenfalls dieses verrückte Airwave Festival auf Island… da bleibt dann wieder Zeit zum träumen.

Was war dein bisher schlimmstes Erlebnis beim Clubauftritt. Was geht gar nicht, aber kommt dennoch immer wieder vor?

Schlimme Erlebnisse gab es nicht, eher verrückte Situationen wie die Heimfahrt vom Club in Hangzhou nach Shanghai. Kein einziger Taxifahrer konnte Englisch und nachdem ich am falschen Bahnhof in den falschen Zug gestiegen bin, war es doch schon sehr aufregend in einem Regiozug mit chinesischen Landarbeitern unterwegs zu sein. Glücklicherweise ist dieser dann auch in Shanghai gelandet. Was immer wieder vorkommt sind Leute, die nach Tracks fragen, die ich auflegen soll. Das ist auf die Dauer echt nervig. Aber wie bei allen Situationen gilt nach per Anhalter durch die Galaxis “… keine Panik”.