Interview Line Up Mag

Interview Line Up Mag

Spätestens seit dem Erscheinen der Single “Capisce” müsste jeder schon einmal von Tagträumer² gehört haben. Mitten in der aktuellen Tour zur neuen Single “India” spürte Line-Up den Act in seinem
kleinen Studio auf und befragte ihn neben einem wackeligen Regal vollgestopft mit Vinyl.

Hey Robert, wenn man deine Plattensammlung so anschaut bemerkt man gleich, dass da viele Stile aufeinandertreffen von Chicago House über Electro bis hin zu alten Scheiben aus den
60ern. Wann hast du denn mit dem sammeln angefangen?

Ich fand Vinyl immer viel interessanter als CDs oder Tapes.
Mit dem sammeln fing es so mit 15 Jahren an. In meiner Heimatstadt Prenzlau gab es auch einen Plattenladen, der nur elektronische Musik anbot und mich wahrscheinlich auch mit der Idee infizierte selber als Dj aktiv zu werden.
Das war schon eine sehr lustige und inspirierende Zeit zwischen Schul-Disko, den ersten Raves und selbstorganisierten Partys mit Freunden.
Dabei lernte ich auch Andreas kennen und wir legten dann als Dj-Team unter dem Namen Tagträumer² auf.

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Wie liefen eure Veranstaltungen in Prenzlau?

In der Uckermark waren wir mit unseren Rauschzeit Events wohl eine der ersten, die in der Region etwas größeres veranstalteten. Wir steckten voller Tatendrang und wollten etwas besonderes Abseits des Mainstreams erschaffen.
Das der Bedarf allerdings so groß war, hätten wir selbst nicht für möglich gehalten und so standen bei der Premiere gleich mal 800 Leute vor der Tür.
Nach und nach wurden die Events immer größer und aufwendiger und wir luden uns auch Acts wie Shin Nishimura, Paul Kalkbrenner oder Stefan Küchenmeister nach Prenzlau ein.
Doch mit dem Umzug nach Berlin verlegten wir auch fast alle Aktivitäten in die Hauptstadt.
Der alte Tresor wurde für unsere Partys eine neue Heimat und auch als Tagträumer² traten wir hier regelmäßig auf.

Wann ging es eigentlich mit dem produzieren los und wann erschienen die ersten eigenen Stücke?

Das geschah auch ungefähr zeitgleich mit dem Umzug nach Berlin. Wir hatten damals schon einige male einem Freund (Tokra Thaan) beim produzieren über die Schulter geschaut und fanden es auch
ganz interessant, doch stand für Andreas und mich immer das Auflegen im Mittelpunkt und wir hatten wohl auch Zweifel ob wir das so einfach packen würden.
Nach einer durchzechten Nacht setzten wir uns dann doch an die Regler und es begann sogar Spaß zu machen.
Die Produktionen wurden immer besser und wir pressten eine kleine Auflage um einige Stücke im Club zu testen.
Bei einem Song waren wir uns ziemlich sicher, dass der auch unter anderen Dj-Fingern funktionieren würde und so wurde Capisce im Jahre 2007 auf BlackFoxMusic veröffentlicht.

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Mit dem Song wurde ich auch auf das Tagträumer² – Projekt aufmerksam. Hatte der Erfolg irgendwelche Auswirkungen für euch?

Nicht nur das wir eine Menge Platten verkauften, die Arbeit die das Ganze nach sich zog war gewaltig.
So kamen einige Remixaufträge herein aber auch andere Labels klopften an unsere Tür und wollten einige Stücke lizensieren.
Der Terminkalender wurde immer voller und so wurden es auch immer mehr Bookinganfragen die uns in Deutschland bekannter machten. Aber auch die Gigs im Ausland wie in Warschau oderRotterdam ließen nicht lange auf sich warten.

Das absolute Highlight war aber der Gig in San Francisco in der Minna Street Gallery. Wir spielten auf einer Art Afterwork Party bei der es sehr wild zu Sache ging. Vor allem war zu bemerken, dass der Stil der DJs absolut egal war – Hauptsache man konnte in seiner Spielzeit die Leute für sich gewinnen.
Vor unserem Set spielte jemand Trance und nach uns ging es wild mit Disco-House weiter – was für ein verrückter Abend.
Durch die vielen Aufträge wurde uns aber auch klar dass wir uns entscheiden mussten, denn ein kleines Hobby war es nun nicht mehr.
Andreas hat sich an der Stelle für seinen Job als Programmierer entschieden.
Seitdem fahre ich das Tagträumer²-Projekt Solo weiter – gute Freunde sind wir aber immer noch.

Wenn ich mir deine Stücke im MySpace-Player so anhöre, fällt mir gleich die Vielfalt der Stilrichtungen auf.
Gibt es dahinter ein Konzept und wie entsteht eigentlich ein Tagträumer² Song?

Als erstes sind mir Melodien sehr wichtig und oft baue ich auch einfache Instrumente wie Violinen oder ein Klavier ein. Funktionale Tracks wie sie oft im minimalen Bereich zu finden sind
langweilen mich etwas.
Bei „Journey To Jimi“ habe ich zum Beispiel mit E-Gitarren Samples und Rückkopplungen gespielt und im Studio einen Synthie so verändert, dass er einer E-Gitarre sehr nahe kommt.
Jedoch bemerke ich immer wieder, dass man beim produzieren nie auslernen kann. Ständig gibt es neue Soft- und Hardware und die Möglichkeiten scheinen unendlich zu sein.
Zur Fertigstellung der Tracks gehe ich auch immer noch zum Produzenten Ronald Christoph. Er hat ein riesieges Studio mit alten Synthesizern und vielen analogen Geräten.
Es hilft einem unglaublich, wenn jemand an den Produktionen beteiligt ist von dem man noch eine Menge lernen kann und der einem immer wieder neue Sachen beibringt.
Aber nochmal zurück zur Vielfältigkeit in der Musik.
Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig immer neu zu klingen und auch mal andere Stilrichtungen auszuprobieren.
Für Labels ist das natürlich ein Graus – da sie nicht wissen, was der Künstler als nächstes fabriziert. Für diejenigen Leute, die öfter mal auf der MySpace-Seite vorbeischauen wird es jedoch nie
langweilig.
Das spiegelt sich dann auch bei den Auftritten als Dj und als Live-Act wieder.

Aktuell bist du ja mit deiner neuen Single „India“ auf Tour und wenn man in den Kalender schaut geht’s sogar nach China. Wie waren deine bisherigen Eindrücke?

Bisher bin ich voll zufrieden. Im Oktober gab es Tourstops in Potsdam, Berlin, Brandenburg und auch in meiner Heimat bei der Feinabstimmung Crew.
Am letzten Wochenende war ich in Polen genauer gesagt in Białystok und in Krakau unterwegs und jetzt geht es für fünf Tage nach China.
Ich bin schon sehr gespannt was mich dort erwartet. Übrigens wäre es ohne die Unterstützung des Goethe Instituts wohl nicht zu dieser Reise gekommen.
In der Region gibt es halt nur sehr wenig Clubs und wenn DJs aus dem Ausland zu hören sind, legen meistens Armin van Buren oder Paul van Dyk in Megadiskos auf.
Für eine Undergroundszene bleibt da wenig Platz und die kleinen Veranstalter scheitern oft an den hohen Reisekosten.
Ein guter Freund von unserem Label stellte darauf einen Antrag beim Goethe Institut, da diese ja deutsche Musiker bei Auslandsauftritten fördern.
Ich war eher skeptisch, denn ich hatte den Eindruck, dass sie eher klassische Ensembles und Jazzbands fördern.
Doch im Gespräch mit den Vertretern vom Institut stellte ich schnell fest, dass im letzten Jahr auch Robert Babicz bei seiner China-Tour zu Olympiade oder Hans Nieswandt bei Auftritten in Israel gefördert wurden.
Bei der Zustimmung des Antrages fiel ich natürlich aus allen Wolken und so freue ich mich umso mehr auf die Gigs in Hangzhou und Shanghai. Besten dank nochmal an dieser Stelle für die Unterstützung.
Im Gepäck werde ich bestimmt auch viele Platten von der neuen Single India haben, denn in einer 10 Millionen Stadt wie Shanghai gibt es nicht mal einen Plattenladen der Vinyl anbietet..

Wie geht deine Tour weiter? Arbeitest du noch an anderen Projekten?

In diesem Monat geht’s endlich mal wieder in den Tresor und danach kreuz und quer durch Deutschland. Auch ein paar Auftritte in der Schweiz und in Großbritannien sind geplant.
Zwischen den Terminen steht auf jeden Fall eine Menge Studioarbeit an, denn einige Stücke müssen unbedingt fertiggestellt werden.
Ganz besonders freue ich mich auf das nächste Release im Dezember auf Schallbox Records.
Ein Pascal Feos Remix soll ebenfalls dabei sein … man darf also gespannt sein.

Hast du irgendwelche Wünsche für 2010?

Ich glaube an erster Stelle steht die Gesundheit, dass ich auch weiterhin so viel Kraft habe die Dinge zu meistern.
Außerdem möchte ich 2010 unbedingt auf einigen Festivals spielen. Das war mir dieses Jahr leider nicht vergönnt. Aber mal schauen, es wäre schön mit dem Live-Set oder als Dj auf den größeren Bühnen zu stehen.
Musikalisch würde ich gerne mal mit meinen Vorbildern zusammen arbeiten. Dazu gehört wohl an erster Stelle Trentemoller, den ich für seine Produktionen sehr bewundere.
Er kommt ja eigentlich aus dem Indie-Rock Bereich, schafft es aber mich immer wieder zu überraschen.
Erst macht er eine Club Single nach der anderen und dann kommt er mit einem chilligen Album daher. Seine aktuelle Mix-Cd ist ja wiederum ganz anders und lässt seine Indie-Einflüsse wieder herausstechen. Aber das wäre wohl mehr ein Traum.