Interview Elektro Chronisten

Interview Elektro Chronisten

Tagträumer² — Wenn Gedanken Schweifen

Bereits seit 2007 ist der Name Tagträumer² weltweit in der Elektroszene ein Begriff. Denn in diesem Jahr landete Robert mit “Capisce” einen Riesenhit. Seitdem ist der 31-Jährige ein gefragter Produzent und DJ, dessen Sound nicht zuletzt durch seinen Abwechslungsreichtum besticht. Seine Tourlist umfasst Länder in der ganzen weiten Welt. Dass dabei allerdings nicht immer alles glatt gehen muss, davon kann auch Tagträumer² ein äußerst unterhaltsames Lied singen.

Von Sebastian Binder  

Das Wort „Tagtraum“ ist vielleicht eines der schönsten, das die deutsche Sprache zu bieten hat. Tagträume sind qua definitonem bildhafte, mit Träumen vergleichbare Fantasievorstellungen und Imaginationen, die im wachen Bewusstseinszustand erlebt werden. Es erscheint daher nicht als die schlechteste Idee, wenn man sein Musikprojekt danach benennt, denn was ist Musik letztlich anderes als eine imaginierte Fantasievorstellung, die einen über das Gehörte in eine surreale Welt abdriften lässt? Das dachte sich wohl auch Robert Stolt, weltweit besser bekannt als „Tagträumer²“, und daher hat er auch seine eigene Vorstellung davon, was das Wort „Tagtraum“ für ihn bedeutet: „Tagtraum bedeutet für mich, am Tage seine Gedanken schweifen zu lassen und komplett abzuschalten. So entstehen neue Ideen und man ist am besten kreativ. Allerdings muss man die Kraft besitzen, seine Ideen auch in die Tat umzusetzen. Denn nur so können Träume wahr werden“, sagt er gegenüber elektro-chronisten.de.

Da ist was Wahres dran und alle Nachwuchs-DJs und -Produzenten sollten sich diesen Satz vielleicht noch einmal durchlesen, denn die Geschichte von Tagträumer² liest sich tatsächlich wie das, wovon viele junge Leute träumen, wenn sie erstmals am Computer versuchen, etwas Anhörbares zusammenzuschrauben. Ursprünglich startete Tagträumer² 2003 als DJ-Team. Als sich 2007 allerdings der erste sichtbare Erfolg einstellte, standen die beiden vor einer grundsätzlichen Entscheidung: „Für mich war es genau das richtige, denn ich wollte aus meiner Leidenschaft einen Beruf machen. Beim anderen Part von Tagträumer² war es aber so, dass die Musik immer nur Leidenschaft bleiben sollte. Deshalb beschlossen wir zusammen, dass ich das Projekt alleine weiterführen sollte“, erzählt Robert. Beide Positionen haben etwas Nachvollziehbares und Robert, fortan als Tagträumer² solo unterwegs, sollte erst lernen, was „Erfolg“ tatsächlich bedeutet. Mit seinem Song „Capisce“ landete er 2007 einen echten Hit und fortan veränderte sich die Welt, wie er sie kannte: „Die erste Produktion gab einen großen Schub nach vorne. Es waren auf einmal viel mehr Auftritte möglich und auch im Ausland wurde ich gebucht. Ab diesem Zeitpunkt wurde alles noch viel professioneller. Aber eben auch viel stressiger, da viel mehr Zeit in das Projekt fließen musste. Ich musste weitere Produktionen angehen, Remixe anfertigen und versuchen, am Ball zu bleiben, denn Tagträumer² sollte nicht so schnell von der Bildfläche verschwinden.“

Nun, das ist ihm zum Glück gelungen, denn der Tagträumer legte nach und zwar nicht zu knapp. Beginnen wir einfach mal mit seiner Produktion „Monsters“ und dem dazugehörigen Video. Zuerst denkt man sich: „Oh, was für ein nettes Oldschool-Surfin-USA-Filmchen.“ Doch der böse Beat lässt einen bereits erahnen, dass hier etwas nicht stimmt, nicht stimmen kann. Und dann taucht das Monster auf und es… naja, seht am besten selbst. „Erstmal habe ich keinen bestimmten Stil, der sich genau einordnen lässt. Ob vom Tech-house oder Deep House bis hin zu meinen ersten Elektroanfängen war schon vieles dabei“, beschreibt Tagträumer² seinen Sound. „Ich mag es sehr, neue Sachen auszuprobieren. Dabei versuche ich allerdings immer, melodisch zu bleiben.“ Diesen Anspruch unterstreicht er sehr gut mit Tracks wie „Schattenspiele“, „Skinny Dipping“ oder „Journey To Jimy“. Seine Experimentierfreudigkeit demonstriert er dabei mit seiner äußerst verspulten Produktion „Grüne Fee“, eine Mischung aus Elektro und Reggae. Das kann nicht funktionieren? Doch, in den Tagträumen funktioniert es. Zu seinen eigenen Lieblingsproduktionen gehört allerdings „India“, da „die Bassdrum hierbei teilweise rückwärts läuft und auch ein Synthie ganz merkwürdige Sachen macht.“

Vor längerer Zeit hat der 31-Jährige zudem sein eigenes Label namens „BlackFoxMusic“ gegründet. Wie es dazu kam? „Die Idee war, mit Freunden eine Plattform zu schaffen, um seine eigene Musik zu präsentieren. Wir waren am Anfang erst vier Künstler, die den Wunsch hatten, unseren Stil auf einem Label unterzubringen. Mittlerweile sind wir schon über 20 Artists und können auf sechs Jahre BlackFoxMusic zurückschauen.“ Zugegeben, das klingt schon alles sehr beeindruckend, aber wirklich ehrfurchtgebietend wird es, wenn man sich die Tourlist von Tagträumer² ansieht. Hier finden sich Stopps in Südkorea und auf der Krim, in Shanghai und San Francisco, die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Dass bei derartigen Reiseaktivitäten nicht immer alles glatt läuft, macht diese kleine Anekdote des Vinyl-Only-DJs deutlich: „Der Super Gau ist mir letztes Jahr in Japan passiert. Ich stand in Osaka am Gepäckband und mein Plattenkoffer tauchte nicht auf. Da ich ja ausschließlich Vinyl spiele, war das das Schlimmste, was mir passieren konnte. Der Veranstalter sah aber darin kein Problem, da er auch einen Plattenladen hatte und so durfte ich mir einen neuen Koffer für die drei Auftritte zusammenstellen. Dumm war nur, dass nicht eine Platte dabei war, die auch in meinem Case zu finden ist.“ Okay, und wie hat die Crowd dann beim Auftritt in Osaka reagiert? „Es gelang mir trotzdem mit ruhigen Platten, einen guten Start hinzulegen und dann doch mein Publikum in den Bann zu ziehen. Dieser neue Koffer sollte dann noch für zwei andere Auftritte in Japan mein Begleiter sein und ich beschloss, mir ein paar Platten davon nachzukaufen, da sie mir ans Herz wuchsen.“ Glück im Unglück gehabt, aber was war mit dem eigentlichen Plattenkoffer? „Zurück in Deutschland war mein Plattenkoffer immer noch nicht aufgetaucht und ich bekam es langsam mit der Angst zu tun. Doch nach zwei Wochen erfuhr ich, dass er gefunden wurde und den Berliner Flughafen gar nicht erst verlassen hatte.“ Naja, dass bei den Berliner Flughäfen nicht immer alles glatt läuft, haben wir ja in letzter Zeit mitbekommen.

Dann bleibt nur zu hoffen, dass die Zukunft wieder mehr Tagträume als Flughafen-Alpträume zu bieten hat. Aber allem Anschein nach braucht man sich darüber keine Sorgen zu machen. “Anfang Februar erscheint meine neue Single mit L Kubic, die mal ganz anders klingen wird. Sie ist äußerst musikalisch und bleibt bei geschmeidigen 120 Beats pro Minute“, verrät Robert die Pläne für die nächste Zeit. „Auf der B-Seite wird es noch einen Alle Farben Remix geben, der das Thema eher für den Club bearbeitet hat. Außerdem stehen dieses Jahr wieder ein paar neue Länder auf dem Terminplan, ich freue mich also schon jetzt auf neue Anekdoten.“ Und wir, ehrlich gesagt, auch…

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